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Prof. Dr. Dutta, Anatol, M. Jur. (Oxford) (Hrsg.)
Prof. Dr. Dr. h. c. Schwab, Dieter (Hrsg.)
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Henrich, Dieter (Hrsg.)
Prof. Dr. Dr. h. c. Gottwald, Peter (Hrsg.)
Prof. Dr. Löhnig, Martin (Hrsg.)
Band 18: Scheidung ohne Gericht? (Juli 2017)
(Juli) 2017
€ 84,00 | bestellen
ISBN: 978-3-7694-1179-9
2017/07 | VIII und 369 Seiten | Broschur
Das Scheidungsrecht hat in Europa seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tiefgreifende Änderungen erfahren. Die Privatautonomie der Ehegatten rückt dabei immer mehr in den Fokus. Einige Systeme verzichten mittlerweile sogar auf eine gerichtliche Mitwirkung bei der Scheidung. Das 13. Symposium für europäisches Familienrecht in Regensburg (6.-8.10.2016) befasste sich rechtsvergleichend mit der Materie.
Neben einem rechtshistorischen Abriss (Schwab) enthält der Band Referate zu den Entwicklungen in
- Deutschland (Dutta), Österreich (Ferrari), der Schweiz (Aebi-Müller/Ziegler), Italien (Patti), Spanien (Ferrer Riba), Frankreich (Ferrand), Belgien (Pintens), den Niederlanden (Breemhaar), Polen (Bugajski), Tschechien (Westphalová), Norwegen (Sperr), Slowenien (Novak), England/Wales (Scherpe) und den vom islamischen Recht geprägten Rechtsordnungen (Yassari).
Hinzu kommen Beiträge zum internationalen Privat- und Verfahrensrecht (Helms und Buschbaum). Eine Schlussbetrachtung (Henrich) rundet den Band ab.
"… Alle Beiträge des Sammelbands sind es wert gelesen zu werden, sie sind äußerst informativ und geben einen Einblick in die Entwicklung des Scheidungsrechts repräsentativer europäischer Länder und zusätzlich islamischer Staaten. Sie bilden eine Informationsquelle und zugleich Diskussionsstoff, wenn es um die Frage geht, ob überhaupt und wie mit den europäischen Rechtsinstrumente auf die Tendenz zur außergerichtlichen Scheidung reagiert werden sollte."
(Prof. Dr. Marianne Andrae, ZEuP 2018, 720, 723)
"Europa diskutiert über eine Scheidung ohne Gericht - wo? In Regensburg natürlich, auf dem 13. Symposium für europäisches Familienrecht, das vom 6. bis 8. Oktober 2016 stattfand, einem Diskussionsforum, das schon seit vielen Jahren zeigt, wie sinnvoll und fruchtbar die Beschäftigung mit ausländischem Recht für das eigene Recht sein kann. Das hier zu besprechende Buch versammelt die gehaltenen Referate und enthält eine solche Fülle an Informationen zum Scheidungsrecht, zu den Scheidungsfolgen, zu den Folgen von Ehenichtigkeit und Eheaufhebung und zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und deren Auflösung für über 14 Länder, dass auch eine nur überblicksartige Darstellung ein Sonderheft der FamRZ erfordern würde. Deshalb ganz kurz vorweg so viel: Lesenswert ist das Werk in jedem Fall!
Die gestellte Frage "Scheidung ohne Gericht?" führt zwangsläufig zu der Vorfrage, wie die Ehe überhaupt zum Gericht gekommen ist? Dieter Schwab erläutert dies in seinem Beitrag und legt das Auf und Ab von Scheidungserschwernissen und -erleichterungen durch die Gesetzgebung im Zeitverlauf dar. Er diskutiert auch das Pro und Contra einer gerichtlichen Ehescheidung unter der Einleitungsfrage, ob diese noch zeitgemäß ist, ohne dass das Ergebnis seiner Prüfung an dieser Stelle mitgeteilt werden soll. Die 14 nachfolgenden Beiträge befassen sich sodann mit dem Scheidungsrecht in verschiedenen Ländern, Tobias Helms erörtert die Frage der neuen Entwicklungen im Scheidungsrecht als Herausforderung für das internationale Privatrecht, Markus Buschbaum zeigt die sich aus der Einordnung ausländischer notarieller Scheidungsurkunden als öffentliche Urkunden i. S. von Art. 46 Brüssel IIa-Verordnung ergebenden Probleme auf und schlägt konkrete Änderungen vor und die Schlussbetrachtung liegt bei Dieter Henrich.
Das Buch vermittelt in einer sehr kompakten und informativen Weise einen umfassenden Überblick über den Stand des Scheidungsrechts in Deutschland, Osterreich, der Schweiz, Italien, Spanien, Frankreich, Belgien, in den Niederlanden, Polen, Tschechien, Norwegen, Slowenien, in England und Wales sowie in den islamischen Ländern. Mit dem deutschen Scheidungsrecht befasst sich Anatol Dutta und diskutiert ein Überdenken des Zerrüttungsprinzips und der Anknüpfung an Scheidungsgründe, die gerichtlich ohnehin kaum überprüft werden könnten. Hier muss die Rezensentin schon von Berufs wegen darauf hinweisen, dass die Beteiligten eines Scheidungsverfahrens von Gesetzes wegen zu wahren Angaben, etwa zum Trennungszeitpunkt, verpflichtet sind. Gemeinsames Lügen lässt sich dadurch zwar nicht völlig ausschließen, es wird aber in den allermeisten Fällen faktisch dadurch verhindert werden, dass zum Zeitpunkt des Scheidungsverfahrens regelmäßig nur noch eine geringe Neigung zu gegenseitigen Gefälligkeiten besteht.
Lässt man die islamischen Länder außer Betracht, über die Nadjma Yassari berichtet und in denen die Scheidung ohne Gericht eine lange Historie hat, ist diese nach den Länderberichten heute in Italien, "Spanien, Frankreich und Norwegen möglich und damit auch in Ländern, in denen eine Scheidung lange ausgeschlossen war (in Italien ist sie erst seit 1970 möglich, in Spanien sogar erst seit 1981). Dieter Henrich ergänzt die Länderberichte durch den Hinweis auf mögliche Privatscheidungen auch in Dänemark, Estland, Lettland, Rumänien und Portugal. Die Privatscheidung ist allerdings sehr unterschiedlich ausgestaltet: Sie erfolgt zum Teil durch bloße Vereinbarung über die Scheidung oder vor dem Standesbeamten, vor einem Notar oder durch einen Rechtspfleger, wobei teilweise das Fehlen von Kindern und Einvernehmen über die Scheidungsfolgen Voraussetzung ist. Bisweilen ist eine Kontrolle vorgesehen (etwa bei der italienischen Scheidung mit anwaltlicher Unterstützung durch den Staatsanwalt oder durch den Notar in Spanien), in anderen Fällen ist allein der Wille der Ehegatten konstitutiv (so hat etwa der Notar in Frankreich keine Kontrollbefugnis).
Für die Länder, die eine Privatscheidung nicht kennen, wird zum Teil argumentiert, dass kein Bedarf dafür bestehe, weil das geltende Recht durch einvernehmliche Scheidungen oder ein wenig formales Verfahren ohnehin eine schnelle und unkomplizierte Beendigung der Ehe ermögliche (so etwa Susanne Ferrari für Osterreich, Lenka Westphalova für Tschechien und Walter Pintens für Belgien; für England und Wales hebt Jens Scherpe hervor, dass das Verfahren in den allermeisten Fällen eine reine Formalität sei).
Interessant ist auch der Umgang mit Scheidungsfolgen. Hier reicht die Spanne vom deutschen Scheidungsverbundverfahren bis zur Regelung der Scheidungsfolgen stets außerhalb des Scheidungsverfahrens. Lenka Westphalova erläutert im Rahmen ihres Beitrags zudem, dass nach einer Änderung des Schulgesetzes im Jahr 2012 in Tschechien das Kind bei Praktizierung eines Wechselmodells sogar verschiedene Schulen im Wechsel besuchen kann. So hilfreich der Blick ins Ausland ist, so lassen manche Regelungen - ausgehend vom föderalen deutschen Schulsystem und bei Annahme eines Elternteils in Bayern und des anderen in Bremen -einem das Blut in den Adern gefrieren.
Vermutlich nicht überraschend bevorzugt die Rezensentin auch nach der Lektüre des Buches die Beibehaltung einer Scheidung vor Gericht, selbst wenn im Rahmen eines unkomplizierten Verfahrens dem Einvernehmen der Ehegatten dabei ein hoher Stellenwert zukommen kann und muss. Zwar trifft es zu, dass sich die Ehegatten in der Regel über die Scheidung selbst einig sind, der formale gerichtliche Akt bietet aber die beste Gewähr für eine angemessene Form der Eheauflösung, die - auch bei diesbezüglichem Einvernehmen der Ehegatten - mehr sein sollte als ein unbedeutender Punkt auf einer "Erledigungsliste". Zu Recht weist Anatol Dutta daher am Ende seines Beitrags darauf hin, dass der Scheidungsausspruch auch für Ehegatten, die mit der Beziehung emotional abgeschlossen haben, ein bedeutsames Ereignis ist, das einen entsprechenden Rahmen erfordert. Zudem schärft ein gerichtliches Verfahren die Sinne für die Scheidungsfolgen und stellt deren Kontrolle im Interesse der Kinder und des wirtschaftlich unterlegenen Ehegatten bestmöglich sicher. Zugegebenermaßen kann über diese Position diskutiert werden; die Argumente dafür finden sich in dem besprochenen Buch, dessen Lektüre zudem verdeutlicht, welche Welten zum Teil noch zwischen den familienrechtlichen Regelungen selbst innerhalb Europas liegen!"
(Vors. Richterin am OLG Prof. Dr. Isabell Götz, FamRZ 2018, 248)
"(...) Wer die rechtspolitische Diskussion zu diesem wichtigen Teilbereich der familienrechtlichen Diskussion verfolgen will, muss dieses Buch gelesen haben."
(RA / FA FamR Klaus Schnitzler, FF 2018, 87f.)